An allen Hochschulen in der Schweiz galten von September bis Februar strenge Zutrittsregeln. Damit sollte der Präsenzunterricht wieder ermöglicht werden. Zutritt zum Campus hatten ausschliesslich Personen, die auf Sars-CoV-2 getestet, genesen oder geimpft waren. Dagegen hatten zwei Professoren der ZHAW und eine Dozentin der FHNW jeweils bei der zuständigen Rekurskomission Widerspruch eingelegt. Nun haben die Rekurskomissionen entschieden.
(Lausen) In beiden Verfahren wurde auf die eigentlichen Problematiken nicht eingegangen. Während das Verfahren an der FHNW mit der Begründung abgetan wurde, dass sich die Situation jetzt nicht mehr stelle und nun mehr auch eine andere Ausgangslage herrsche, so dass man nicht annehmen könne, dass sich im kommenden Herbst dasselbe Szenario genau gleich wiederholen könne, und das Verfahren deshalb gegenstandslos sei, wurde beim Verfahren gegen die ZHAW den Beschwerdeführern immerhin zugestanden, dass bei der Art der Umsetzung der Zertifikatspflicht der Datenschutz verletzt wurde. Im Gegensatz zum Verfahren an der FHNW machte sich die Rekurskommission deutlich mehr Gedanken und beurteilte insbesondere die Gefahr der Wiederholung im Herbst 2022 kritischer. Deshalb wurde das Verfahren nicht für gegenstandslos erklärt, sondern es erfolgte eine Abwägung.
Aus unserer Sicht bedenklich ist, dass bei beiden Urteilen weder die Rechtsgrundlage selbst noch die Verhältnismässigkeit der Massnahmen überprüft wurde. Im Gutachten der Zürcher Rekurskommission heisst es dazu: „Die Rekurskommission der Zürcher Hochschulen hat sich nach dem Gesagten bei der Vornahme der akzessorischen Normenprüfung Zurückhaltung aufzuerlegen“.
Urteilsbegründung der Rekurskommission
Die Urteilsbegründung der Rekurskommission ist verlinkt, hier die ausführliche Stellungnahme unseres Mitglieds Martin Winkler, Die Urteilsbegründung und die Stellungnahme zum Verfahren an der FHNW findet sich hier:
Statement zum Schiedsspruch der Rekurskommission
Von Martin Winkler
„Beinahe dreiviertel Jahre nach Einführung der Zertifikatspflicht an der ZHAW hat die Rekurskommission über unsere Einsprache entschieden. Herausgekommen ist dabei ein aus unserer Sicht zweifelhaftes Urteil. Immerhin wurde dem Rekurs in einem Punkt, nämlich dem mangelhaften Datenschutz, stattgegeben. Der Hochschule wurde zugute gehalten, dass sie unter immensem (Zeit‑)Druck stand und sich in vielen ihrer Entscheidungen auf (vermeintlich) sichere Evidenz, verkündet von Task-Force und Bundesrat, verlassen musste. In wichtigen Fragen, nämlich ob diese Massnahmen überhaupt geeignet waren, Infektionen zu verhindern und ob sie das möglichst mildeste Mittel waren, wie im Covid-19-Gesetz gefordert, wollte sich die Rekurskommission nicht äussern. Dies mag zwar aus juristischer Sicht verständlich sein, ist aber aus unserer Sicht der zentrale Punkt, den man zumindest retrospektiv genauer betrachten müsste, denn obwohl die Hochschulen viel Geld vom Staat erhalten und der Bundesrat die Massnahmen festgelegt hatte, sollten sie intellektuell unabhängig sein und ihre Rolle als kritische Denkstätte und als Ort für innovative Lösungen wahrnehmen.
„Wir hatten uns mit dem Rekurs mehreres erhofft“
- Wir wollten ein Signal setzen, dass auch in Krisenzeiten alle Teile der Gesellschaft gehört werden sollten und auch die Stimmen der Minderheiten – in dem Fall die Personen, die sich für freien Zugang zu Hochschulen einsetzen – nicht einfach ignoriert werden dürfen.
- Wollten wir die verantwortlichen (Hochschul-)politiker und Führungskräfte darauf hinweisen, dass es nicht nur eine Sichtweise auf die «Pandemie» gibt, sondern auch andere Sichtweisen erlaubt sein müssen und wir wollten eine Möglichkeit schaffen, unsere Sicht auf die Dinge darzulegen, da wir anders nicht mehr gehört worden sind.
- Wollten wir die Beschneidung unserer Grundrechte nicht einfach unausgesprochen hinnehmen und in punkto Datenschutz haben wir auch von der Rekurskommission Recht bekommen.
Auch wenn sich die Rekurskommission nicht zu den uns dringendsten Fragen äussern wollte und die von uns vorgebrachte Evidenz nicht kommentiert hat bzw. sich in der Frage , ob das Covid-19 Gesetz nicht gegen übergeordnetes Gesetz verstösst «Zurückhaltung» auferlegt hat, glauben wir, dass unsere Argumente zumindest teilweise Beachtung gefunden haben. So wurde z.B. zugestanden, dass für einen Nasen-Rachenabstrich auch mildere Mittel (Spuck-PCR) zur Verfügung gestanden hätten. Allerdings folgt daraus in der Urteilsbegründung keine Konsequenz für die Hochschule. Auch wurde an mehreren Stellen der Urteilsbegründung darauf hingewiesen, dass nach damaligem Stand des Wissens (sprich der veröffentlichten Meinung des BAG) diese Massnahmen geeignet schienen. Im Umkehrschluss kann man daraus lesen, dass nach heutigem Stand des Wissens, die Beurteilung der Lage eine durchaus andere sein könnte. In der Zwischenzeit ist es auch in der allgemeinen Wahrnehmung und der alltäglichen Erfahrung angekommen, dass eine Impfung nicht vor der Weitergabe des Virus schützt und auch kein Schutz vor einer Infektion mit dem Virus darstellt[1]. Hätte man die Evidenz, die wir in unserer Klageschrift vorgebracht hatten, beachtet, hätte man das auch bereits im September / Oktober letzten Jahres wissen können. Umso wichtiger scheint es uns, dass diese Erkenntnisse im Nachgang zum letzten Herbst / Winter auch im Hinblick auf den nächsten Herbst einen Niederschlag im öffentlichen Diskurs, in den Medien und vor allem der Politik finden mögen. Unverständlich erscheint uns, dass der Bundesrat nun mit genau denselben Mitteln (u.a. Zertifikatspflicht!) in den Herbst gehen will. Umso wichtiger scheint uns eine öffentliche Aufarbeitung der letzten beiden Jahre, wozu dieser Artikel und unsere Stellungnahme zum Schiedsspruch hoffentlich einen kleinen Beitrag leistet.“
[1] Selbst das BAG führt in seiner aktuellen Impfbrochüre (https://www.bag.admin.ch/dam/bag/de/dokumente/mt/k-und-i/aktuelle-ausbrueche-pandemien/2019-nCoV/factsheet-impfung-covid-19.pdf.download.pdf/factsheet-impfung-covid-19.pdf, abgerufen 30.06.2022) als Grund für eine Impfung lediglich den Schutz vor schweren Verläufen an. Ein Schutz vor Infektion findet sich darin nicht mehr!
Stellungnahme zum Verfahren an der FHNW
Von Mirjam Buchmann
„Die Beschwerdekommission weist im August 2022 die Klage wegen Diskrimination an der FHNW wegen Gegenstandslosigkeit ab. So wird in der Schweiz des 21.Jahrhundert mit Beschwerden umgegangen: Man wartet bis die aktuelle Situation, die die Klägerin als unzumutbar empfand, vorüberging und nimmt sich danach das Recht heraus, im Nachhinein nicht mehr darüber nachdenken zu müssen, ob das Vorgehen statthaft war oder nicht.
Gleichzeitig bekam die Studentin, die gegen ihre Wegweisung geklagt hatte, vollumfänglich Recht. Die aufschiebende Wirkung, die die Einreichung eine Klage gegen ein laufendes Verhalten nach geltendem Recht bedeutet, muss auch von der FHNW befolgt werden. Das bedeutet, alle Tests, die an diesen 10 Tagen stattfanden, bis die Aufschiebung aufgehoben wurde, sind zu Unrecht erfolgt.“
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