Es ist in der Öffentlichkeit ruhiger geworden um das Projekt Neue Bahnanbindung EuroAirport. Die Stille bedeutet aber keinen Stillstand. Im Gegenteil, bis am 9. November läuft aktuell die öffentliche Auflage des trinationalen Bahnprojektes und die Arbeiten für das detaillierte Vorprojekt werden noch dieses Jahr starten. Kurzum, es ist der richtige Zeitpunkt, um bei Dr. Emanuel Barth, Leiter trireno, nachzufragen, was der Stand der Dinge ist und wie die Reise weitergeht.
(Basel) Emanuel Barth ist zuversichtlich, dass man mit dem Bau der sechs Kilometer langen Strecke von St. Louis nach Bartenheim im Jahr 2024 starten kann. Auf technischer Ebene sieht er keine grösseren Probleme. Was aus seiner Sicht eine Herausforderung darstellen könnte, ist die politische Vermischung des Projektes mit der Fluglärmthematik.
Um was geht es bei der Bahnanbindung EuroAirport in wenigen Worten?
Konkret geht es im Projekt um eine sechs Kilometer lange Strecke von St. Louis nach Bartenheim, die parallel zur bestehenden Strecke verläuft. Sie ist die zentrale Voraussetzung dafür, dass wir auf der Bahnstrecke von Basel nach Mulhouse das Bahnangebot ausbauen können.
Und was erhofft man sich konkret davon?
Für die gesamte Achse aus dem Südelsass bis in die Nordwestschweiz wird dadurch der öffentliche Verkehr deutlich verbessert. Für Grenzgänger, Flugpassagiere und Angestellte des EuroAirports bringt die Bahnanbindung direkte grenzüberschneidende Verbindungen durch die Agglomeration. Für den Raum EuroAirport bedeutet das Projekt, dass über 30 Prozent aller Fahrten von Angestellten und Flugpassagieren zum und vom EuroAirport von der Strasse auf die Schiene verlagert werden. Die Bahnanbindung stösst auf grosse Zustimmung aller beteiligten Partner in Frankreich, in Deutschland und in der Schweiz. Der Schweizer Bund wie auch der französische Staat stehen voll und ganz hinter dem Projekt, obwohl das Projekt aus Sicht beider Staaten ja eigentlich nur Verbesserungen für periphere Regionen bringt.
Die Bahnanbindung EuroAirport wird ja schon seit geraumer Zeit diskutiert. Warum geht es jetzt erst richtig vorwärts?
Die Idee geht bis in die siebziger Jahre zurück und wurde immer wieder in unterschiedlichen Formen diskutiert. Das Projekt kommt aber erst jetzt richtig zum Fliegen, da die Anbindung des EuroAirports mit der Einbindung des Elsass in den öffentlichen Verkehr verknüpft wurde.
In der öffentlichen Wahrnehmung ist es um das Projekt etwas stiller geworden. Was ist der momentane Stand der Dinge?
Die Stille, die Sie ansprechen, hat damit zu tun, dass sich das Projekt derzeit zwischen zwei Planungsphasen befindet. Das generelle Vorprojekt wurde Ende 2019 abgeschlossen. Es laufen im Moment die Vorbereitungen für das detaillierte Vorprojekt, das noch dieses Jahr starten soll.
Um was geht es im detaillierten Vorprojekt?
Es geht ganz konkret darum, die Baumassnahmen zu beschreiben und die Vorbereitungen zu treffen, damit man ab etwa 2024 mit den Bauarbeiten beginnen kann.
Angelpunkt jedes Projektes ist ja immer die Finanzierung. Steht diese nun?
Es ist ein grenzüberschneidendes Projekt und daher braucht es auch eine grenzüberschneidende Finanzierung und ein entsprechendes vertragliches Konstrukt. In diesem Fall sprechen wir höchstwahrscheinlich von einem Staatsvertrag zwischen Frankreich und der Schweiz. Dieser Vertrag ist noch nicht finalisiert, aber die Projektsteuerung hat im Februar 2021 einen Finanzierungsschlüssel für das gesamte Projekt vereinbart. Finanziell beteiligen werden sich demnach der französische Staat, die Region Grand Est, die Collectivité européenne d’Alsace, der EuroAirport, die EU, der Schweizer Bund und das Land Baden-Württemberg sowie einzelne Gemeinden.
Werden sich die Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft somit nicht beteiligen müssen?
Nach aktuellem Stand wird der Schweizer Teil über den Bund abgedeckt. Konkret wurden im Bahninfrastrukturfonds, der von den Kantonen alimentiert wird, entsprechende Mittel reserviert. Dies hat damit zu tun, dass beschlossene Bahnprojekte in der Schweiz in der Regel vollumfänglich durch den Bund bzw. den Bahninfrastrukturfonds finanziert werden.
Wie sieht der Finanzierungschlüssel nun konkret aus?
Dies kann ich Ihnen heute noch nicht sagen, da die Gespräche darüber noch nicht vollständig abgeschlossen sind. Bis zum 9. November 2021 läuft eine öffentliche Auflage nach französischem Recht. Im weiteren Sinne ist dies vergleichbar mit einem Plangenehmigungsverfahren in der Schweiz, mit welchem das öffentliche Interesse und die Rechtmässigkeit der notwendigen Untersuchungen geprüft wird.
Erwarten Sie Widerstände bezüglich der öffentlichen Auflage?
Nein, das erwarte ich nicht, da das Projekt solide aufgestellt ist. Ich gehe nicht davon aus, dass inhaltlich etwas bemängelt wird.
Sind Sie zuversichtlich, dass die Finanzierung definitiv geregelt wird?
Ich bin insofern zuversichtlich, als alle Partner interessiert sind, das Projekt zu realisieren. Ich wäre sehr überrascht, wenn sich einer der Partner zurückziehen würde.
Was sind aktuell die grössten Herausforderungen, um das Projekt voranzubringen?
Auf technischer Ebene sehe ich keine grösseren Probleme. Was eine Herausforderung sein könnte, ist die politische Vermischung des Projektes mit der Fluglärmthematik.
Ist es aber nicht tatsächlich auch so, dass die bessere Anbindung des Flughafens zu mehr Flugbewegungen und damit zu mehr Lärm führen wird?
In einer breit angelegten Studie wurde die Frage untersucht, wie gross das Wachstum des Flugverkehrs ist, welches auf eine Bahnanbindung zurückgeführt werden könnte. Die Studie kam zum Schluss, dass die Anbindung zu rund vier Prozent mehr Flugpassagiere führen würde. Bemerkenswert dabei ist, dass diese Zunahme nicht von neuen Flugpassagieren kommen würde, sondern von Passagieren, die sonst an einem anderen Flughafen abgeflogen wären. Wichtig ist mir zudem der Punkt, dass die Bahnanbindung ein Erschliessungsprojekt des Flughafens ist. Für die Wahl des Flughafens, oder für die Wahl des Flugzeugs als Verkehrsmittel, gibt es sehr viele wichtigere Kriterien als die Erschliessung des Flughafens. Ich denke dabei etwa an die Flugticketpreise oder die angebotenen Destinationen.
Führt aber die Anbindung nicht doch zu deutlich mehr Flugpassagiere aus dem Raum Innerschweiz und dem Mitteland?
Nein, davon gehen wir nicht aus. Hier ist es wichtig zu wissen, dass es um eine regionale S-Bahn Anbindung geht. Passagiere, die von ausserhalb der Region mit der Bahn anreisen, müssen also weiterhin am Bahnhof Basel SBB umsteigen. Statt wie heute den Bus, nehmen sie einfach die Bahn und dies entlastet natürlich die Strassen in unserer Region.
Das ist im Moment so geplant. Kann es aber nicht sein, dass die nationale Anbindung einfach dann später auf der Agenda steht?
Das Projekt, wie es heute geplant ist, ist ein Regionalverkehrsprojekt und nicht ein Fernverkehrsprojekt. Dafür wären weitere Infrastrukturinvestitionen nötig wie etwa zur Verlängerung der Bahnsteige. Natürlich kann man nicht ausschliessen, dass irgendwann ein entsprechender Ausbau in einem neu aufgelegten Projekt zur Diskussion gestellt wird. Dies ist aber aktuell nicht der Fall. Wie erwähnt werden solche Verlagerungen der Passagiere primär über das Angebot des Flughafens gesteuert. Wenn es günstige EasyJet-Angebote gibt am EuroAirport, dann kommt der Passagier nach Basel, unabhängig davon, ob er mit dem Bus oder mit der Bahn anreist.
Erwarten Sie starken Widerstand von flughafenkritischen Kreisen?
Wir wollen ein Projekt für die Anwohner dieser Bahnlinie realisieren, damit sie von einem besseren Bahnangebot profitieren können. Das Projekt bietet sich jedoch für eine Stellvertreter-Diskussion an. Aus unserer Sicht ist dies aber die falsche Plattform, um die Diskussion über den Fluglärm zu führen. Die Frage des Fluglärms ist eine wichtige Frage, auf welche die Politik Antworten finden muss. Man kann das Thema des Fluglärms aber nicht mit der Frage lösen, ob man eine Bahnanbindung will oder nicht. Die Fluglärmproblematik muss separat gelöst werden.
Welche politischen Entscheide braucht es nun noch?
Da es ein grenzüberschreitendes Projekt ist, braucht es voraussichtlich einen Staatsvertrag zwischen der Schweiz und Frankreich. Dieser untersteht in der Schweiz und in Frankreich einen Ratifizierungsprozess. Ich erwarte gerade in der Schweiz keine Kehrtwende, da das Schweizer Parlament umfangreiche Mittel im Jahr 2019 für den Bahnausbauschritt 2035 gesprochen hat. Darin eingeschlossen ist unter anderem auch die Bahnanbindung EuroAirport.
Wann können wir erstmals mit der Bahn zum EuroAirport fahren?
Aktuell planen wir mit einem Baustart im 2024 und mit der kommerziellen Inbetriebnahme im Dezember 2028.
Foto: © trireno / Bildlegende: Dr. Emanuel Barth, Leiter trireno
Über trireno
Mit einem Streckennetz von 357 Kilometern und über 40 Millionen Fahrgästen pro Jahr stellt die S-Bahn das Rückgrat des öffentlichen Verkehrs in der grenzüberschreitenden Agglomeration Basel dar. Für dieses Angebot sind nicht weniger als sieben regionale Aufgabenträger aus drei Ländern verantwortlich. Damit die S-Bahn auch in Zukunft den Bedürfnissen vor Ort gerecht werden kann, bündeln diese sieben Partner ihre Kräfte und vereinen ihre gemeinsame Tätigkeit unter der Dachmarke «trireno».