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REFORMHAUS meldet kurz nach dem Jahreswechsel Konkurs an

von Redaktion baselbusiness24
Mitten in einer Hochphase von Vegan, Vegetarisch und gesunden Produkten muss das REFORMHAUS (MÜLLER Reformhaus Vital Shop AG) Konkurs anmelden. Das erstaunt auf den ersten Blick, aber auch gesunde Produkte unterliegen dem Markt. So dominieren der Detailhandel und diverse Online-Shops mit günstigen Preisen in diesem Segment. In Basel war REFORMHAUS in der Freien Strasse und im Bahnhof SBB vertreten.

(Volketswil/Basel) Nach fast 100 Jahren muss das Reformhaus Konkurs anmelden und schliesst per heute seine Läden in der ganzen Schweiz. Betroffen sind 298 Mitarbeitende an 37 Standorten, darunter auch zwei Filialen in Basel an der Freien Strasse und im Bahnhof SBB.

Reformprodukte zu verkaufen bedarf heute selbst einiger Reformen. Die grossen Detailhändler haben den Markt längst für sich entdeckt und bieten diese zu günstigeren Preisen an. Auch der Onlinehandel hat den Markt entdeckt. Für die Mitarbeitenden könnte sprechen, dass der Einzelhandel zur Zeit auf der Suche nach Personal ist und es bleibt zu hoffen, dass alle wieder einen Job finden.

Auch der Laden im Bahnhof SBB muss schliessen.

Hier die Stellungnahme und die Chronik von REFORMHAUS (Quellen: Rerformhaus.ch)

Mit grossem Bedauern teilen wir Ihnen mit, dass wir unseren Geschäftsbetrieb schweizweit per 3. Januar 2023 eingestellt haben.

Das gesamte Team vom REFORMHAUS dankt Ihnen von Herzen, dass Sie in den letzten rund 100 Jahren bei uns eingekauft, uns Ihre Räumlichkeiten vermietet, uns beliefert und mit uns gelacht, geweint und für die gute Sache gekämpft haben!

Wir wünschen Ihnen für die Zukunft alles Gesunde.

 

Der Verwaltungsrat hat die Bilanz der Gesellschaften MÜLLER Reformhaus Vital Shop AG und Natural Power Distribution AG deponiert. Vom Konkurs betroffen sind 37 Standorte und 298 Mitarbeitende. Der letzte Verkaufstag schweizweit ist am 3. Januar 2023.

Die Kundenfrequenz ist in unserer Branche, dem Fachhandel für gesunde Ernährung mit Fokus auf Bio- oder Demeterqualität, Naturkosmetik und – an unseren Standorten mit integrierter Drogerie – Naturheilmittel, seit 2016 rückläufig. Nichtsdestotrotz entschied sich der Verwaltungsrat im Herbst 2019 – nach drei Jahren geprägt von Sparmassnahmen – für eine Vorwärtsstrategie mit entsprechender Neupositionierung.

 

Nach einem vergleichsweise erfolgreichen ersten Pandemiejahr 2020 ist der Umsatz im Frühling 2021 erneut stark eingebrochen. Dieser Einbruch hält bis zum heutigen Tag an und hat sich im zweiten Halbjahr 2022 noch weiter verschärft.

Die Pandemie und darauffolgende Krisen haben die Tendenz der sinkenden Kundenfrequenz im Fachhandel zusätzlich verschärft. Dabei etablierten sich keine völlig neuen Phänomene, vielmehr wurden bestehende Trends wie Homeoffice und digitale Einkäufe beschleunigt und innert kürzester Zeit zum Standard in unserer Gesellschaft.

Der Preis wird immer wichtiger

Die MÜLLER Reformhaus Vital Shop AG agierte stets in einem intrinsisch motivierten Markt. So kauften die meisten Kund*innen nicht wegen des Preises, sondern aus Überzeugung und einem starken Bewusstsein für Produkte- und Beratungsqualität bei uns ein. Andererseits übten unsere Mitarbeitenden ihre Tätigkeit mit Fachkompetenz, Begeisterung und Herzblut aus. Dieser ehrlichen und bedingungslosen Wertehaltung versuchte das Unternehmen mit einem intrinsisch orientierten Führungsstil stets gerecht zu werden – begleitet von der festen Absicht, die Preise senken und die Löhne erhöhen zu können, sobald die wirtschaftliche Lage dies zulassen würde.

In den vergangenen Jahren hat sich der Preis eines Produktes immer mehr als das wichtigste Kaufkriterium etabliert. Täglich wurden unsere Mitarbeitenden mit der Aussage konfrontiert, dass unser Angebot zu teuer sei. Andererseits waren wir aus wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage, die Anstellungsbedingungen unserer Belegschaft nachhaltig zu verbessern. Auf der Basis dieses Spagats bemühte sich die Eigentümerschaft seit Jahren um strategische Partnerschaften entlang der Wertschöpfungskette. Damit wollte sie ihren Teil dazu beitragen, dass alle Menschen und Unternehmen der gesamten Branche eine echte Perspektive für die Zukunft haben.

 

Wir bedauern sehr, dass der gewünschte Erfolg dieser Bemühungen ausgeblieben ist. Weil unser Angebot in den letzten Jahren immer weniger nachgefragt wurde, müssen wir uns eingestehen, dass wir die Existenzberechtigung am Markt ein Stück weit verloren haben.

Erfolglose Sanierungsbemühungen

In einem familiengeführten Unternehmen steht das Wohl der direkt und indirekt an der Unternehmung mitwirkenden Menschen an erster Stelle. Die Mitarbeitenden sind der wahre Wert des Unternehmens; dieser ist in der Bilanz nicht ersichtlich. Die Eigentümerschaft verzichtete in den letzten zwanzig Jahren stets darauf, Dividenden auszuschütten und reinvestierte alle verfügbaren Mittel in das Unternehmen.

In den letzten Jahren und Monaten wurden zahlreiche Sanierungsmöglichkeiten und -konzepte ausgearbeitet, die sich stets am Wohl der Mitarbeitenden orientiert haben. All diese Sanierungsmöglichkeiten wurden sorgfältig geprüft und bis kurz vor Weihnachten 2022 Gespräche sowie Verhandlungen mit Drittparteien geführt. Leider blieben alle Bemühungen bis zuletzt ohne Ergebnis.

Folgende Fakten können festgehalten werden:

  • Unser letzter Verkaufstag findet schweizweit am 3. Januar 2023 statt.
  • Alle Löhne bis und mit Dezember 2022 wurden pünktlich bezahlt.
  • Alle Mietzinsen bis und mit Dezember 2022 wurden pünktlich bezahlt.
  • Alle Filialen wurden am Tag nach der Entscheidung persönlich und transparent über die Überschuldungsanzeigen in Kenntnis gesetzt.
  • Bis zum heutigen Tag erfolgten in Zusammenhang mit dieser Angelegenheit keine Kündigungen.

Die Geschäftsleitung hat sich im Sinne der Transparenz und Ehrlichkeit im Umgang mit den Mitarbeitenden für eine zeitnahe interne Kommunikation entschieden. Sämtlichen Mitarbeitenden wurde die Möglichkeit gegeben, sich mit Rückfragen, Sorgen und Ängsten rund um die Uhr telefonisch beim Geschäftsführer zu melden.

Die Geschäftsleitung steht in einem konstruktiven Austausch mit den zuständigen Behörden.

Der grösste Dank gilt den Mitarbeitenden

Die Eigentümerschaft und die Geschäftsleitung danken auch an dieser Stelle allen Mitarbeitenden ganz herzlich für das bis zum Schluss erbrachte Engagement.

Wir verabschieden uns mit der Gewissheit, dass alle 298 Mitarbeitenden in ihrer jeweiligen Rolle alles in ihrer Macht stehende getan haben, um dem Unternehmen eine gute Zukunft zu ermöglichen.

Jede*r einzelne Mitarbeitende hat einen wesentlichen Beitrag geleistet zur einzigartigen Identität unseres Unternehmens; und damit das grosse Ganze auf seine bzw. ihre ganz spezielle Art bereichert. Auch deshalb sind wir der festen Überzeugung, dass unsere Mitarbeitenden für jedes Unternehmen eine Bereicherung sein werden. Wenn es ihnen gelingt, ihre Fachkompetenz, ihre Begeisterung und ihr Herzblut auch bei einem anderen Arbeitgeber einzubringen, würde das unserer Gesellschaft guttun.

 

CHRONIK REFORMHAUS

1887 eröffneten die Lebensreformer*innen einen ersten Laden in Berlin. Die berühmten Reform-Sandalen gab es tatsächlich in diesem Laden zu kaufen. Das Symbol der Verbindung zwischen der Erde und der Gesundheit. Hauptsache waren vollwertige Lebensmittel, Fleischersatz, Pflanzen-Margarine, Trockenfrüchte, Nüsse, Gewürze und alkoholfreie Fruchtsäfte.

1929 eröffnete Rudolf Müller sein erstes Reformhaus am Rennweg 15 in Zürich. Dies ist heute noch das grösste Reformhaus der Schweiz. Nach jahrelanger Krankheit heilte er sich durch „neuzeitliche Ernährung“ und wurde dadurch zum Vegetarier. Diese Erkenntnis und Lebensweise wollte der Bildhauer und Maler möglichst vielen Menschen bekannt machen. Mit viel Herzblut engagierte er sich und wurde zur treibenden Kraft in der Reformbewegung. So kreierte er die Reformmarke „Biona“, die sich aus biologische Natur ableitet.

1935 gründete Rudolf Müller die Biokosma AG in den Räumen des Reformhauses Müller am Rennweg 15 in Zürich.

1945 übernimmt Max Steidle, der neue Besitzer der Biokosma AG auch die Reformhaus Müller AG. Nach dem Krieg erlebte die Reformbewegung in Europa eine schwere Zeit. Der Unternehmer Steidle übernahm viele Reformhäuser in der Schweiz und rettete sie so vor dem Konkurs.


2000
verkauft die Familie Steidle die Reformhaus Müller AG an den Unternehmer Dr. Christoph Tschan. Er ermöglicht das weitere Bestehen des Gedankengutes der Reformbewegung in der Schweiz und den Ausbau des Geschäfts auf 30 Filialen im Jahr 2010.

2002 wird der Name in Müller Reformhaus Vital Shop AG geändert.


2020
werden die bis dato bestehenden fünf Unternehmensmarken Egli Bio, MÜLLER Reformhaus, Vital.Punkt, Reformhaus Ruprecht, Drogerie Haas unter einer gemeinsamen Marke zusammengeführt: REFORMHAUS

2023 muss REFORMHAUS Konkurs anmelden

Foto: © Reformhaus / Legende Titelbild: Der Laden von REFORMHAUS an der Freien Strasse

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