Während im letzten Jahr Inflationssorgen dominierten, treten 2023 Konjunkturrisiken sowie der Arbeitskräftemangel in den Vordergrund. Um einer Inflationsverfestigung vorzubeugen, dürfte die SNB ihren Leitzins im März auf 1,5 Prozent anheben, aber im weiteren Jahresverlauf auf zusätzliche Erhöhungen verzichten. Bei Eigenheimen haben sich die starken Preisanstiege 2022 zwar fortgesetzt, dürften im laufenden Jahr jedoch ein Ende finden.
(Zürich/Basel) Die Schweizer Konjunktur ist 2023 an die Entwicklung der Energiekrise gebunden. Milde Temperaturen zu Beginn des Jahres dürften die Eurozone vor einer schweren Rezession bewahren. Trotzdem lasten die hohen Energiepreise auf den europäischen Einkommen und die resultierende Konjunkturabkühlung auf den Schweizer Exporten in die Eurozone. Dank der Stabilisierung der Energiepreise und der Normalisierung in den Lieferketten dürfte der Inflationsdruck 2023 deutlich nachlassen und die Schweizer Teuerung im Jahresverlauf unter die 2-Prozent-Marke fallen.
«2023 steht für einen Richtungswechsel», kommentiert Florian Germanier, Ökonom UBS Schweiz. «Während sich die Konjunktur 2022 robust zeigte und Inflationssorgen dominierten, dürften in diesem Jahr die Teuerung zurückgehen und die Konjunkturrisiken überwiegen.» Das Chief Investment Office von UBS Global Wealth Management (UBS CIO GWM) erwartet ein Schweizer BIP-Wachstum von lediglich 0,7 Prozent in diesem Jahr, gefolgt von 1 Prozent 2024. Einer Inflation von 2,1 Prozent 2023 dürfte eine von 1,3 Prozent im nächsten Jahr folgen.
SNB mit weiterem Zinsschritt
Um einer Inflationsverfestigung vorzubeugen, dürfte die Schweizerische Nationalbank (SNB) im März ihren Leitzins auf 1,5 Prozent anheben. Mit der Rückkehr der Inflation in das SNB-Zielband von 0 bis 2 Prozent im Jahresverlauf wird sie auf weitere Zinserhöhungen wohl verzichten können.
Die Wirtschaftsabkühlung macht den Schweizer Franken in diesem Jahr attraktiv. Die UBS-Ökonomen erwarten einen Rückgang von EURCHF auf 0.95 bis Ende 2023. Mit dem Ende des globalen Zinserhöhungszyklus dürfte sich der Schweizer Franken gleichzeitig auch gegenüber dem US-Dollar auf USDCHF 0.86 aufwerten.
Der globale Zinsanstieg riss 2022 ein Loch in das SNB-Portfolio und macht Ausschüttungen kurzfristig wenig wahrscheinlich. Basierend auf Rendite- und Risikoerwartungen von UBS CIO GWM beträgt die Wahrscheinlichkeit eines für Ausschüttungen notwendigen SNB-Gewinns von 40 Milliarden Franken (nach Zuweisung an die Rückstellung für Währungsreserven) im laufenden Jahr weniger als 30 Prozent. Mittelfristig sind Ausschüttungen aber durchaus realistisch. So liegt die Wahrscheinlichkeit, dass die SNB bis 2027 einen kumulierten Gewinn von über 40 Milliarden Franken generiert, bei circa 60 Prozent.
Arbeitskräftemangel bleibt eine Herausforderung
Nur zwei Jahre nach einer sehr tiefen Rezession ist der Schweizer Arbeitsmarkt bereits ausgetrocknet. Zunehmend spielt der demografische Wandel eine Hauptrolle beim Arbeitskräftemangel. «In diesem Jahrzehnt erreichen wesentlich mehr Personen das Rentenalter, als dass neue Erwerbspersonen nachrücken. Das trägt dazu bei, dass bis 2030 eine Lücke von rund 220 000 bis 250 000 Arbeitskräften entsteht, selbst mit der AHV-Reform», erklärt Alessandro Bee, Ökonom UBS Schweiz.
Als Massnahme für die wohl grösste Herausforderung für Schweizer Unternehmen und die Wirtschaftspolitik bietet sich eine stärkere Integration von älteren Arbeitnehmenden und Müttern in das Arbeitsleben an.
Durchatmen auf dem Immobilienmarkt
Die starken Anstiege von Eigenheimpreisen haben sich 2022 wie auch im Vorjahr fortgesetzt. Im Fahrwasser eines starken Wirtschaftswachstums nahmen sie innert Jahresfrist um rund 5,5 Prozent zu. Die Zinswende hinterliess bisher kaum Bremsspuren am Eigenheimmarkt, unter anderem aufgrund eines Ansturms auf die im Vergleich zu Langfristfinanzierungen günstigeren Geldmarkthypotheken.
Doch die starken Preisanstiege dürften 2023 mit der erwarteten wirtschaftlichen Abkühlung sowie den nochmals höheren Leitzinsen ein Ende finden. «Wir rechnen für das laufende Jahr mit gesamthaft leicht steigenden Eigenheimpreisen», sagt Claudio Saputelli, Head Real Estate UBS CIO GWM. Dabei dürften sich Einfamilienhäuser, auch aufgrund ihres stark beschränkten Angebots, mit 1,5 Prozent etwas mehr verteuern als Eigentumswohnungen mit 1,0 Prozent. Das wäre der erste inflationsbereinigte Preisrückgang seit über zwei Jahrzehnten.
Einschneidender werden sich die höheren Zinsen auf Wohnrenditeliegenschaften auswirken, denn diese müssen nun wieder mit Anleihen um Investorengelder konkurrieren. Zwar bieten sie Inflationsschutz und der Bedarf an Wohnungen dürfte die Bautätigkeit weiterhin übertreffen. So lag die Zahl der Baugesuche für Wohnungen 2022 bereits um 20 Prozent tiefer als im Durchschnitt der drei vorhergehenden Jahre. Eine sinkende Umzugsneigung und erodierende Kaufkraft der Mieterhaushalte verlangsamen aber mittelfristig die mögliche Erhöhung der Mieterträge in Bestandsliegenschaften. Claudio Saputelli folgert daraus: «Insgesamt werden steigende Marktmieten für Wohnungen sinkende Bewertungen nicht aufhalten können. Die Transaktionspreise von Wohnrenditeliegenschaften dürften 2023 im tiefen einstelligen Prozentbereich sinken.»
Geschäftsliegenschaften voraussichtlich im Abwärtstrend
Auch bei Geschäftsliegenschaften werden die Transaktionspreise voraussichtlich abwärts tendieren. In den Bürobranchen dürfte sich das Beschäftigungswachstum 2023 gegenüber dem Vorjahr auf rund 1,0 Prozent mehr als halbieren und das Potenzial für real steigende Mieten ist gering. Bei Verkaufsflächen werden die realen Detailhandelsumsätze angesichts einer sinkenden Kaufkraft der Haushalte wohl bestenfalls auf dem Niveau von 2022 stagnieren. Der starke Franken dürfte – trotz der hohen Inflation in den Nachbarländern – die Zunahme des Einkaufstourismus begünstigen. Damit wird die Wertschöpfung in der Branche und die Zahlungsbereitschaft für Mietflächen wohl abnehmen.
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